EuGH-Urteil im Fall UsedSoft gegen Oracle klärt steuerlichen Teilaspekt des grenzüberschreitenden Online-Softwarevertriebs
RA/StB Dr. Reimar Pinkernell, LL.M., Bonn*
Abstract: Der EuGH hat in einem urheberrechtlichen Rechtsstreit zwischen UsedSoft und Oracle entschieden, dass der Softwarehersteller den Weiterverkauf einer per Internet-Download gekauften Standardsoftware nicht untersagen kann, weil sich sein Verbreitungsrecht wie im Fall des Verkaufs eines Datenträgers mit dem erstmaligen Inverkehrbringen der Software erschöpft (§ 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG). Daraus folgt, dass der Online-Vertrieb einer Standardsoftware nicht zu inländischen Einkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f bzw. Nr. 6 EStG führen kann. Denn der wirtschaftliche Gehalt der Leistung besteht auch in den Download-Fällen in der Veräußerung einer Programmkopie, nicht aber in der Einräumung eines urheberrechtlichen Nutzungsrechts. Der Online-Vertrieb einer Standardsoftware ist daher ebenso wie der Verkauf von Standardsoftware auf Datenträgern als „Direktgeschäft” einzuordnen.
I. Einleitung
Die Nutzungsüberlassung von Software ist ertragsteuerlich nicht immer leicht zu fassen, weil der Vertragsinhalt von der schlichten Veräußerung einer Standardsoftware an den Anwender bis hin zur Einräumung umfangreicher Nutzungsrechte am Urheberrecht des Herstellers reichen kann (z.B. Lizenzerteilung an einen anderen Softwarehersteller, der die Software seinerseits weiterentwickelt, vervielfältigt und verbreitet).[1] Weitere Einordnungsprobleme ergeben sich daraus, dass die Software auf einem Datenträger verkörpert sein kann oder – was inzwischen überwiegend der Fall ist – per Download aus dem Internet bezogen wird. Während die Umsatzsteuer beim Kauf von Standardsoftware je nach Bezugsweg zwischen der Lieferung eines körperlichen Gegenstands (Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Datenträger) und einer sonstigen Leistung (Download) unterscheidet, was sich u.a. auf die Bestimmung des Leistungsorts auswirkt,[2] kommt es ertragsteuerlich grundsätzlich nicht auf die „Verpackung”, sondern auf den wirtschaftlichen Gehalt der jeweiligen Leistung an. Der BFH hat daher bereits für bilanzsteuerliche Zwecke festgestellt, dass der Käufer einer Standardsoftware auch dann ein immaterielles Wirtschaftsgut anschafft, wenn er die Software auf einem Datenträger erhalten hat.[3] Damit ist die Inanspruchnahme von Bilanzierungsvorschriften und Steuervergünstigungen, die ein materielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens voraussetzen, grundsätzlich ausgeschlossen;[4] die zivilrechtliche Einordnung als Sachkauf ist bilanzsteuerlich irrelevant.[5]
II. Verkauf von Standardsoftware auf Datenträgern
Im Bereich der grenzüberschreiten Softwareüberlassung ist schon seit längerer Zeit anerkannt, dass der Verkauf von Standardsoftware auf Datenträgern im Inboundfall keine beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Verkäufers auslöst, sofern der Verkauf nicht ausnahmsweise über eine inländische Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter erfolgt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. §§ 12, 13 AO).[6] Zwar steht hinter der Software immer das Urheberrecht des Herstellers (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a UrhG), weshalb die Bearbeitung, die Vervielfältigung und die Verbreitung einer Programmkopie grundsätzlich der Zustimmung des Rechtsinhabers bedürfen (§ 69c UrhG).[7] Die deutsche Finanzverwaltung hatte daher ursprünglich überlegt, ob der Softwareverkauf nicht als abzugsteuerpflichtige Nutzungsüberlassung von Rechten i.S.v. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f bzw. Nr. 6, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 73a Abs. 2 EStDV zu inländischen Einkünften führen könnte, wenn der Kunde die Software in einer inländischen Betriebsstätte nutzt.[8] Dagegen spricht jedoch bereits der Umstand, dass es sich um eine zeitlich unbefristete Überlassung handelt, die als Veräußerung zu qualifizieren ist.[9] Zudem erschöpft sich das urheberrechtliche Verbreitungsrecht des Herstellers (§§ 17 Abs. 1, 69c Nr. 3 UrhG) mit dem Verkauf des Datenträgers an den inländischen Kunden durch Inverkehrbringen der Programmkopie, so dass der Hersteller einen Weiterverkauf des Datenträgers nicht unterbinden kann.[10] Auch das Vervielfältigungsrecht in Bezug auf die Programmkopie, das dem Hersteller nach dem Verkauf weiterhin zusteht (§§ 16 Abs. 1, 69c Nr. 1 UrhG), führt nicht zur ertragsteuerlichen Einordnung des Softwarekaufvertrags als Lizenzvertrag. Denn dem Käufer ist die Vervielfältigung der Software gesetzlich gestattet, wenn sie der bestimmungsgemäßen Benutzung des Programms oder der Erstellung einer Sicherheitskopie dient (§ 69d Abs. 1 und 2 UrhG). Damit sind die Vervielfältigungsbedürfnisse des normalen Anwenders, der lediglich die Funktionalität der Software nutzen will, abgedeckt. Der wirtschaftliche Gehalt des Softwareverkaufs besteht in der dauerhaften Übertragung der Programmkopie, nicht in der Einräumung kommerzieller Verwertungsbefugnisse in Bezug auf ein Urheberrecht.
III. Verkauf von Standardsoftware per Download
Nicht abschließend geklärt war bislang, ob der Verkauf von Standardsoftware per Download nicht doch anders zu beurteilen sein könnte,[11] weil urheberrechtlich umstritten war, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch im Fall des Downloads zum Untergang des Verbreitungsrechts des Herstellers führt. Lit. und Rspr. vertraten für das deutsche Recht überwiegend die Auffassung, dass die Erschöpfungswirkung an das Inverkehrbringen eines physischen Vervielfältigungsstücks des Computerprogramms (Datenträger) gebunden ist.[12] Dies hätte zur Folge, dass der Käufer nur ein schuldrechtliches Anwendungsrecht in Bezug auf die per Download erworbene Software hätte, während dem Hersteller weiterhin der Erlös aus einem etwaigen Weiterverkauf der Programmkopie zustehen würde, sofern er den Weiterverkauf nicht gleich ganz untersagt.
Der urheberrechtliche Meinungsstreit ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, da sich im Kielwasser der großen Softwarehersteller wie z.B. Microsoft, Oracle und SAP ein reger Markt für Gebrauchtsoftware entwickelt hat. Der BGH hatte schon früh entschieden, dass die Hersteller den Weiterverkauf gebrauchter physischer Programmkopien im Hinblick auf den Erschöpfungsgrundsatz nicht untersagen dürfen,[13] was eine lukrative Nische für den Handel mit gebrauchter Software geschaffen hat. Die Softwarehersteller haben ihr Vertriebsmodell aber mittlerweile auf Download-Angebote umgestellt, so dass der Verkauf physischer Datenträger weitgehend überflüssig geworden ist. Gleichzeitig werden dem Käufer der heruntergeladenen Programmkopie umfangreiche vertragliche Beschränkungen auferlegt, die die Nutzungsbefugnis an den Vertrag mit dem Hersteller ketten sollen (Aktivierungs- bzw. Registrierungserfordernis, vertragliches Verbot der Weiterveräußerung der Software). Die Softwarehersteller wollen dadurch nicht nur Raubkopien verhindern, sondern vor allem auch den Markt für Gebrauchtsoftware austrocknen, der sich nachteilig auf das Umsatzwachstum im Neugeschäft auswirkt.
Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis der Streit zwischen den Softwareherstellern und den Händlern gebrauchter Software erneut vor dem BGH landen würde, um die Anwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes in den Downloadfällen zu klären. Der BGH wollte in dem Musterverfahren UsedSoft GmbH gegen Oracle International Corporation zugunsten des Softwareherstellers entscheiden, hat die Streitfrage aber gem. Art. 267 AEUV dem EuGH vorgelegt,[14] weil die einschlägigen Vorschriften des UrhG auf Art. 4 und 5 der Richtlinie 2009/24/EG [15] beruhen, deren Auslegung in die Zuständigkeit des EuGH fällt. Der EuGH hat daraufhin durch Urteil vom 3.7.2012 zugunsten von UsedSoft entschieden,[16] dass sich das Verbreitungsrecht des Urheberrechtsinhabers auch dann erschöpft, wenn der ursprüngliche Käufer die Programmkopie aus dem Internet herunterlädt und auf seinem System speichert. Der Vertrag zwischen Oracle und dem Kunden ist demnach als „Erstverkauf” einzuordnen, der die Erschöpfungswirkung gem. § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG herbeiführt. Auf die vertraglichen Beschränkungen wie z.B. das Veräußerungsverbot kommt es nicht entscheidend an, weil es sich dennoch um eine zeitlich unbefristete Nutzungsüberlassung einer Programmkopie handelt, die dem Verkauf eines Datenträgers vergleichbar ist; der Download entspricht dabei funktionell der Übergabe eines Datenträgers. Der EuGH hat außerdem festgestellt, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts auch im Hinblick auf die im Rahmen des Wartungsvertrags aktualisierten und später heruntergeladenen Programmversionen eintritt. Der Käufer kann daher frei über die (aktualisierte) Programmkopie verfügen und sie an einen Dritten weiterverkaufen, sofern er die auf seinem System noch vorhandenen Programmkopien unbrauchbar macht. Die Installation des Programms auf dem Computersystem des Zweitkäufers ist eine erlaubte Vervielfältigungshandlung, weil der Zweitkäufer als rechtmäßiger Erwerber der Programmkopie sämtliche Befugnisse des Erstkäufers hat.
Der EuGH unterscheidet somit hinsichtlich der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht zwischen dem Verkauf eines Datenträgers und dem Softwarevertrieb per Download. Beide Bezugswege sind urheberrechtlich gleichwertig, denn der Urheberrechtsinhaber hat in beiden Fällen die Möglichkeit, beim Erstverkauf eine angemessene Vergütung zu erzielen. Es gibt daher keinen wirtschaftlichen Grund, ihn am Ergebnis eines Zweitverkaufs zu beteiligen bzw. ihm eine Untersagungsbefugnis einzuräumen. Zudem liegen klare Eigentumsverhältnisse im Interesse des freien Warenverkehrs innerhalb der EU.[17]
Die Argumente des EuGH, die für eine Einordnung der Softwareüberlassung per Download als Verkauf einer Programmkopie mit Erschöpfungswirkung sprechen, schlagen m.E. auch auf die Anwendung der Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f bzw. Nr. 6 EStG durch. Der wirtschaftliche Gehalt des Vertrags besteht ebenso wie beim Verkauf physischer Datenträger in der zeitlich unbefristeten Überlassung einer Programmkopie zum Zweck der Anwendung durch den Käufer. Die vertraglichen Veräußerungsbeschränkungen sind irrelevant, da sie den Erschöpfungsgrundsatz nicht durchbrechen können.[18] Der Erwerb eines zeitlich unbefristeten Nutzungsrechts an einer Standardsoftware ist daher auch im Fall des Erwerbs per Download als Veräußerungs- und Anschaffungsvorgang in Bezug auf eine Programmkopie einzuordnen, so dass keine inländischen Einkünfte und damit auch keine Verpflichtungen zum Steuerabzug entstehen. Es handelt sich um ein „Direktgeschäft”, für das Deutschland schon nach nationalem Recht kein Besteuerungsrecht hat. Dies gilt gleichermaßen für die komplexe (und teure!) Client-Server-Datenbanksoftware des EuGH-Urteils wie für „Trivialprogramme” (z.B. eine Office Suite), die der Kunde gegen Entgelt von der Website des Anbieters herunterlädt. Auch der Verkauf von Anwendungsprogrammen für Smartphones („Apps”), die der Hersteller über einen speziellen Online-Marktplatz anbietet (z.B. Apple iTunes, Google Play), löst mangels inländischer Einkünfte keine beschränkte Steuerpflicht aus. Die mit dem Verkauf verknüpften „Lizenzbedingungen”, die eine Bindung an bestimmte Geräte bzw. ein Weiterverkaufsverbot enthalten, sind vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils irrelevant.
IV. Abgrenzung zu anderen Formen der Softwareüberlassung
Die hier erörterte Thematik betrifft den Verkauf von Standardsoftware per Download. Umstritten ist weiterhin die grenzüberschreitende Überlassung von Individualsoftware (dieser Fall wird von der Verfügung der OFD München vom 28.5.1998[19] nicht erfasst), während die grenzüberschreitende Erteilung einer Bearbeitungs- und Vervielfältigungslizenz eindeutig zu inländischen Einkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f bzw. Nr. 6 EStG führt, wenn der Lizenznehmer das Recht in seiner inländischen Betriebsstätte verwertet.[20] Die Softwarebranche versucht mittlerweile, den Online-Verkauf von Standardsoftware komplett durch ein Dienstleistungsmodell zu ersetzen, bei dem der Kunde über den Browser oder ein anderes Interface auf eine Software zugreift, die ausschließlich auf dem Server des Anbieters läuft (Software as a Service). Hier ist m.E. schon gar kein Raum für die Annahme der Nutzung eines Urheberrechts durch den Anwender.[21]
V. Fazit und Hinweis auf DBA-Regelungen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Verkauf von Standardsoftware an inländische Kunden unabhängig vom Vertriebsweg (Datenträger oder Download) keine beschränkte Steuerpflicht auslöst, so dass auch dann keine Verpflichtung des Vergütungsschuldners zum Steuerabzug besteht, wenn die aus dem Internet heruntergeladene Software in einer inländischen Betriebsstätte genutzt wird. Beim Verkauf von Standardsoftware an inländische Kunden kommt es auf die jeweilige DBA-Regelung für Lizenzgebühren bzw. Unternehmensgewinne nicht an, da bereits nach nationalem Recht kein Besteuerungstatbestand erfüllt ist.
Sollten die vertraglichen Bestimmungen im Einzelfall Zweifel im Hinblick auf den Inhalt der Nutzungsüberlassung aufwerfen (z.B. Individualisierung einer Standardsoftware nach den Wünschen des inländischen Kunden, Einräumung eines Bearbeitungs- und Vervielfältigungsrechts, das über die bestimmungsgemäße Benutzung der Standardsoftware hinausgeht), muss zusätzlich die Abkommensebene geprüft werden. Der OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA nimmt dabei – stark verkürzt – folgende Unterscheidungen vor:[22] Der Verkauf von Standardsoftware an einen Endanwender zum allgemeinen persönlichen oder betrieblichen Gebrauch fällt nicht unter Art. 12 Abs. 1 OECD-MA (Lizenzgebühren), sondern unter Art. 7 Abs. 1 OECD-MA (Unternehmensgewinne), so dass ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats nur bei Erzielung der Einkünfte durch eine Betriebsstätte besteht (Nr. 14 OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA). Dies gilt unabhängig davon, ob die Programmkopie auf einem Datenträger oder auf elektronischem Weg übertragen wird (Nr. 14 OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA). Die Einräumung einer Mehrfach- bzw. Netzwerklizenz, wonach die Installation bzw. Nutzung einer Programmkopie auf verschiedenen Rechnern des Kunden erlaubt ist, führt ebenfalls nicht zu Lizenzgebühren (Nr. 14.2 OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA). Unternehmensgewinne liegen auch vor, wenn der Rechtsinhaber einem Zwischenhändler das Recht einräumt, Programmkopien zu vertreiben, ohne dass der Zwischenhändler die Kopien selbst durch Vervielfältigung herstellen darf (Nr. 14.4 OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA).
Beinhaltet der Vertrag mit dem Rechtsinhaber aber die Erlaubnis, eine Software zu vervielfältigen und an die Öffentlichkeit zu vertreiben oder das Programm zu verändern und öffentlich auszustellen, ist die Vergütung als Lizenzgebühr im Sinne von Art. 12 Abs. 1 OECD-MA zu qualifizieren (Nr. 13.1 OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA). Davon zu unterscheiden ist wiederum der Fall der vollen Übertragung des gesamten Urheberrechts an einer Software, die als Veräußerungsvorgang gem. Art. 13 OECD-MA eingeordnet wird.[23]
Der OECD-MK räumt ein, dass die Abgrenzung zwischen Art. 7, 12 und 13 OECD-MA im Einzelfall problematisch sein kann (Nr. 12 und 16 OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA). In den o.g. Zweifelsfällen empfiehlt sich vorherige Beantragung einer Freistellungsbescheinigung beim Bundeszentralamt für Steuern (§ 50d Abs. 2 Satz 1 EStG). Kann sich der ausländische Anbieter auf ein DBA berufen (§ 50d Abs. 3 EStG beachten!), das dem OECD-MA entspricht und einen Nullsatz für Lizenzgebühren vorsieht, ist die Freistellung im Steuerabzugsverfahren unabhängig vom Inhalt der Lizenz zu gewähren, da Deutschland weder Unternehmensgewinne noch Lizenzeinkünfte des ausländischen Anbieters besteuern darf. Steht Deutschland nach dem DBA ein betragsmäßig beschränktes Besteuerungsrecht für Lizenzgebühren zu, muss anhand des OECD-MK zu Art. 12 geklärt werden, ob im Einzelfall der Steuerabzug durch eine Freistellung vermieden werden kann, weil die abkommensrechtliche Definition des Begriffs „Lizenzgebühren” in Bezug auf Softwareüberlassungen enger gefasst ist als die Tatbestände gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f bzw. Nr. 6 EStG (z.B. bei zeitlich befristeter Überlassung einer Programmkopie oder bei Erstellung einer Individualsoftware nach den Wünschen des inländischen Kunden, dem ein ausschließliches Nutzungsrecht an der Software übertragen wird).[24]
Fußnoten
*) RA/StB Dr. Reimar Pinkernell, LL.M. ist im Bonner Büro der Partnerschaft Flick Gocke Schaumburg tätig.
1) Vgl. dazu die umfassende Darstellung von Hecht/Lampert, FR 2009, 1127 und Hecht/Lampert, FR 2010, 68; speziell zu Software as a Service (SaaS) und Cloud Computing Pinkernell, Ubg 2012, 331 (333 f.).
2) Der Verkauf von Standardsoftware und Updates auf Datenträgern wird – unabhängig vom Wert der Software – als Lieferung i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG angesehen (Abschn. 3.5 Abs. 2 Nr. 1 UStAE). Im Fall der elektronischen Übertragung (z.B. Download über das Internet) handelt es sich dagegen um eine sonstige Leistung (Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 8 UStAE).
3) BFH, Urt. v. 18.5.2011 – X R 26/09, BStBl. II 2012, 865.
4) Die Finanzverwaltung gestattet dennoch den Sofortabzug der Anschaffungskosten für „Trivialprogramme” gem. § 6 Abs. 2 EStG, wenn der Nettokaufpreis nicht mehr als 410 € beträgt (R 5.5 Abs. 1, H 6.13 EStR).
5) BFH-Urt. v. 18.5.2011 – X R 26/09, BStBl. II 2012, 865 = FR 2011, 956 m. Anm. Anzinger. Gleichwohl können auf Datenträgern verkörperte Computerprogramme „Waren” i.S.v. § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG sein, was einen gewissen Widerspruch zur bilanzsteuerlichen Einordnung als immaterielles Wirtschaftsgut darstellt (BFH, Urt. v. 28.10.2008 – IX R 22/08, BStBl. II 2009, 572 = FR 2009, 484).
6) OFD München, Vfg. v. 28.5.1998, FR 1998, 755; Haase, INF 2006, 741, 743; Hecht/Lampert, FR 2009, 1131.
7) Nach deutschem Recht ist die isolierte Erteilung von Patenten für Computerprogramme ausgeschlossen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG; ebenso Art. 52 des Europäischen Patentübereinkommens). In den USA sind Softwarepatente dagegen zugelassen, so dass zusätzlich zum urheberrechtlichen Schutz auch eine nach ausländischem Patentrecht geschützte Rechtsposition vorliegen kann.
8) Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht ist die „Verwertung” des Rechts in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung des Vergütungsschuldners. Erfolgt die Rechtseinräumung durch eine ausländische Kapitalgesellschaft, gelten die Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG ausnahmslos als gewerblich.
9) OFD München, Vfg. v. 28.5.1998, FR 1998, 755.
10) § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG: „Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich das Verbreitungsrecht in Bezug auf dieses Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts.”
11) Kessler, IStR 2000, 70 (74 f.).
12) Darstellung des Streitstands im Vorlagebeschluss des BGH v. 3.2.2011 – I ZR 129/08, GRUR 2011, 418.
13) „OEM-Urteil”, BGH v. 6.7.2000 – I ZR 244/97, GRUR 2001, 153 (Bindung des Nutzungsrechts für ein Microsoft-Betriebssystem an den mit der Programmkopie zusammen erworbenen Computer ist unwirksam).
14) BGH, Vorlagebeschl. v. 3.2.2011 – I ZR 129/08, GRUR 2011, 418.
15) Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. EG Nr. L 111 v. 5.5.2009, 16).
16) EuGH, Urt. v. 3.7.2012 – Rs. C-128/11, NJW 2012, 2365. S. dazu aus urheberrechtlicher Sicht Senftleben, NJW 2012, 2924, und Orthmann/Kuß, BB 2012, 2262.
17) Senftleben, NJW 2012, 2924 (2926).
18) EuGH, Urt. v. 3.7.2012 – Rs. C-128/11, NJW 2012, 2565 – Rz. 77.
19) OFD München, Vfg. v. 28.5.1998, FR 1998, 755.
20) FG München, Urt. v. 23.5.2001 – 1 K 3026/97, DStR 2002, 160; bestätigt durch BFH, Urt. v. 27.2.2002 – I R 62/01, BFH/NV 2002, 1142.
21) Ausführlich dazu Pinkernell, Ubg 2012, 331 (333 f.).
22) S. dazu Hecht/Lampert, FR 2009, 68 ff.
23) Nr. 15 OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA geht davon aus, dass Urheberrechte an Software veräußert werden können. Nach deutschem Rechtsverständnis ist das Urheberrecht zwar nicht unter Lebenden übertragbar (§ 29 Abs. 1 UrhG). Die Einräumung eines ausschließlichen und unbefristeten Nutzungsrechts (§ 31 Abs. 3 UrhG) führt aber zum Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums durch den Lizenznehmer.
24) Die Erstellung einer Individualsoftware mit anschließender Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts ist m.E. als Veräußerung des Urheberrechts i.S.v. Nr. 15 OECD-MK zu Art. 12 OECD-MA einzuordnen (Veräußerungsgewinn i.S.v. Art 13 OECD-MA), sofern nicht ohnehin nur eine Dienstleistung an den Kunden erbracht wird.