BMF Schreiben vom 8.12.2004, IV B 4 - S 1301 USA - 12/04 (BStBl. I 2004, 1184)

Der BFH hat durch Urteil vom 29.1.2003 (BStBl. I 2004, 1043), entschieden, dass eine US-Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet und die Gesellschafterin einer deutschen Gesellschaft (GmbH) mit Geschäftsleitung im Inland ist, entgegen § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1984 die Funktion eines Organträgers einer mit der Tochtergesellschaft vereinbarten Organschaft haben könne. Deshalb könne sich die inländische Gesellschaft auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA/USA berufen, wenn ihr auf Grund § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1984 wegen des statuarischen Sitzes des Organträgers im Ausland die Anerkennung der Gewinnabführung an die Muttergesellschaft versagt wird.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung des Urteils Folgendes:

1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG i. d. F. des Art. 2 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 20.12.2001 (BStBl. I 2002, 35) knüpft die Organträgereigenschaft einer Gesellschaft nicht mehr an deren Sitz und Geschäftsleitung im Inland an, sondern nur noch an die Geschäftsleitung. Die Auswirkung der BFH-Entscheidung vom 29.1.2003 (a.a.O.) ist deshalb auf Veranlagungszeiträume vor 2001 beschränkt. Im Lichte der Entwicklung des deutschen Körperschaftsteuerrechts und im Hinblick auf die schon bisher durch § 18 KStG anerkannte Organträgerfähigkeit beschränkt steuerpflichtiger ausländischer Unternehmen, ist das Urteil auf entsprechende Sachverhalte anzuwenden, wenn mit dem jeweiligen Staat ein DBA besteht, das eine Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen entsprechende Regelung enthält oder es sich um einen EU/EWR-Mitgliedsstaat handelt.

2. Soweit aus dem Urteil weitergehend hergeleitet werden sollte, auch die Verweigerung der Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses mit einem ausländischen Organträger mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland verstoße gegen die Diskriminierungsverbote der DBA, die eine Regelung entsprechend Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen enthalten, oder gegen EG-Recht (Niederlassungsfreiheit, Art. 43, 48 EGV), sind darauf gestützte Begehren zurückzuweisen.

a) Eine ausländische Gesellschaft, die ihre Geschäftsleitung im Ausland hat, kann nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG nicht Organträger sein. Sie kann wegen dieser Regelung keine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen entsprechenden Regelungen der DBA geltend machen. Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen schützt nur Unternehmen eines Vertragsstaates, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt. Für Zwecke des Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen ist aber die inländische Gesellschaft, die sich in ausländischem Besitz befindet, mit einer inländischen Gesellschaft zu vergleichen, deren Kapital einer im Inland ansässigen Person gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt. Die ausländische Gesellschaft, die ihre Geschäftsleitung im Ausland hat und im Inland über keine Betriebsstätte verfügt, kann sich nur auf das Diskriminierungsverbot entsprechend Art. 24 Abs. 1 OECD-Musterabkommen berufen, wenn sie selbst einer unterschiedlichen Besteuerung unterworfen wird und diese im ausländischen Gründungssitz ihre Ursache hat. Eine Berufung auf das Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 1 OECD-Musterabkommen wird aber regelmäßig schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil die ausländische Gesellschaft im Inland nicht steuerpflichtig ist.

b) Ein Organschaftsverhältnis setzt grundsätzlich zwingend die inländische Steuerpflicht sowohl des Organträgers als auch der Organgesellschaften voraus. Das Gleiche gilt nach dem Recht der meisten anderen Staaten als Voraussetzung zur Konsolidierung oder Gruppenbesteuerung. Eine inländische Gesellschaft, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar einer nur im anderen Vertragsstaat ansässigen Person gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt, befindet sich im Hinblick auf die Besteuerung als Teil eines Organ- oder Konsolidierungskreises nicht in der gleichen Lage wie eine inländische Gesellschaft, deren Kapital einer inländischen Gesellschaft gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt. Würde eine Organschaft mit einem ausländischen Organträger, der seine Geschäftsleitung im Ausland hat, anerkannt, wäre der Gewinn der Organgesellschaft der inländischen Besteuerung entzogen. Selbst wenn auf den Organträger zugegriffen werden könnte, wäre die inländische Besteuerung seiner Gewinne entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-Musterabkommen untersagt. Darüber hinaus wird der Staat des Organträgers den Gewinn der inländischen Organgesellschaft nach seinem Recht nicht besteuern können. Im Ergebnis würde der Gewinn der Organgesellschaft nicht besteuert. Diese Folge könnte sich ebenso im Umkehrfall ergeben, d. h. bei einer ausländischen Organgesellschaft mit einem inländischen Organträger mit Geschäftsleitung im Inland. Eine Nichtbesteuerung ist aber nicht Zweck des Diskriminierungsverbots. Hiernach kann eine inländische Gesellschaft nicht unter Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot geltend machen, § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG verletze Diskriminierungsverbote der DBA, die Art. 24 Abs. 5 OECD-Musterabkommen entsprechen, weil die Gewinnabführung an einen ausländischen Organträger mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland nicht zugelassen wird.

c) Die Ausführungen unter b) gelten auch in Bezug auf Gesellschaften eines EU Mitgliedsstaates, die ihre Geschäftsleitung im Ausland haben. Die Niederlassungsfreiheit nach den Art. 43 und 48 EGV gebietet nicht, die Organträgereigenschaft auf Gesellschaften eines EU-Mitgliedsstaates auszudehnen, die ihre Geschäftsleitung im Ausland haben. Eine inländische Gesellschaft, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar einer Gesellschaft eines Mitgliedsstaates mit Geschäftsleitung im Ausland gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt, befindet sich bezüglich der Besteuerung als Teil eines Organ- oder Konsolidierungskreises nicht in der gleichen Lage wie eine inländische Gesellschaft, deren Kapital einer inländischen Gesellschaft gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt. Die Einkünfte einer Gesellschaft eines Mitgliedsstaates, die im Inland keine Betriebsstätte unterhält, unterliegen nicht der inländischen Besteuerung. Sie können darüber hinaus auf Grund der Doppelbesteuerungsabkommen mit den Mitgliedsstaaten von Deutschland auch nicht besteuert werden. Ebenso wenig können andere Mitgliedsstaaten auf die Gewinne inländischer Unternehmen ohne Betriebsstätte im jeweiligen Mitgliedsstaat zugreifen. Dies schließt für Zwecke der Organschaftsbesteuerung die Vergleichbarkeit zwischen inländischen Unternehmen mit inländischen Anteilseignern und inländischen Unternehmen mit Anteilseignern eines anderen Mitgliedsstaats aus. Wenn die Verweigerung der Organträgerfähigkeit einer Gesellschaft eines Mitgliedsstaates mit Geschäftsleitung im Ausland für die inländische Tochtergesellschaft zu einem ungünstigeren Ergebnis führt als bei einer Tochtergesellschaft einer inländischen Gesellschaft, so ist dies keine Diskriminierung, sondern Folge der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedsstaaten, die eine grenzüberschreitende Organschaft nicht vorsehen.

3. Aus dem Urteil können keine über den entschiedenen Sachverhalt hinausgehende Folgerungen für die Anwendung der DBA-Diskriminierungsverbote hergeleitet werden. Insbesondere sind die Diskriminierungsverbote der DBA und des EGV nicht deckungsgleich. Die DBA enthalten eine abschließende Aufzählung und Umschreibung möglicher Diskriminierungstatbestände, während es für den Diskriminierungsschutz nach dem EGV auf den Grund der Ungleichbehandlung nicht ankommt. Angehörige von Drittstaaten werden deshalb durch den EGV nicht geschützt.

Dieses Schreiben wird im BStBl. I veröffentlicht.